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Die Circular Economy: Deutschlands Weg zur Kreislaufwirtschaft

Die Vision einer Circular Economy, einer Kreislaufwirtschaft, die Ressourcen schont und Abfall minimiert, gewinnt global an Dringlichkeit. Für eine hochindustrialisierte und rohstoffarme Nation wie Deutschland ist dieser Wandel nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch eine ökonomische Chance. Angesichts eskalierender Krisen – von Klimawandel über Ressourcenknappheit bis hin zu geopolitischen Verwerfungen – erscheint das lineare Modell des „Nehmens, Herstellens, Wegwerfens“ zunehmend obsolet. Deutschland hat sich auf den Weg gemacht, die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft zu implementieren, doch wie weit ist dieser Weg tatsächlich beschritten? Dieser Artikel wirft einen kritischen Blick auf die Fortschritte, Herausforderungen und die Zukunftsperspektiven der Circular Economy in Deutschland, gestützt auf aktuelle Erkenntnisse und Strategien.

Das lineare Erbe und der unabweisbare Ruf nach Wandel

Unser aktuelles Wirtschaftssystem basiert größtenteils auf einem linearen Muster: Rohstoffe werden abgebaut, zu Produkten verarbeitet, konsumiert und schließlich als Abfall entsorgt. Dieses Modell, oft als „Wegwerfgesellschaft“ kritisiert, stößt unübersehbar an seine planetaren Grenzen. Die globale Entnahme von Primärrohstoffen nimmt seit Jahrzehnten kontinuierlich zu, und eine Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch ist kaum in Sicht, wie das Ecologic Institut hervorhebt. Die Folgen sind gravierend: Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Wasserstress und Bodenzerstörung. Ich sehe hier eine fundamentale Fehlsteuerung, die langfristig weder ökologisch noch ökonomisch tragbar ist. Gerade für Deutschland, das bei vielen Rohstoffen, insbesondere Metallerzen und -konzentraten, nahezu vollständig von Importen abhängig ist, wie Analysen zeigen (siehe Kreislaufwirtschaft: Vom Abfall zum Rohstoff), birgt diese Abhängigkeit erhebliche Risiken. Die Circular Economy bietet hier einen Lösungsansatz, der weit über reines Recycling hinausgeht. Sie zielt darauf ab, Produkte, Materialien und Ressourcen so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf zu halten und ihren Wert zu maximieren. Dies kann, wie die Circular Economy Roadmap for Germany von acatech betont, nicht nur zum Erreichen der Klimaziele beitragen, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit stärken, die Rohstoffunabhängigkeit erhöhen und neue Arbeitsplätze schaffen.

Die Notwendigkeit dieses Wandels wird auch durch die enormen Kosten des Rohstoffabbaus für Umwelt und Mensch unterstrichen, wie auf kreislaufwirtschaft-deutschland.de dargelegt wird. Eine Wirtschaftsweise, die ständig neue Primärrohstoffe benötigt, ist schlichtweg nicht zukunftsfähig. Die Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft ist daher zentral für die Erreichung der Klima- und Umweltziele Deutschlands und birgt gleichzeitig bedeutende wirtschaftliche Chancen. Es geht darum, Abfall als Ressource zu begreifen und Materialkreisläufe zu schließen. Das Prinzip ist einfach, aber die Umsetzung komplex: Produkte langlebig und reparaturfreundlich gestalten und am Ende ihrer Lebensdauer so weit wie möglich recyceln, um Rohstoffe zurückzugewinnen. Dieser Ansatz, wie er auch von DW beschrieben wird, reduziert Abfälle und Emissionen signifikant.

Kontrast der Welten: Die obere Globushälfte symbolisiert nachhaltige Praktiken, während die untere Umweltbelastungen durch lineare Wirtschaftsweisen zeigt.

Kontrast der Welten: Die obere Hälfte des Globus symbolisiert eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft mit erneuerbaren Energien und Ressourcenschonung, während die untere Hälfte die Folgen einer linearen Wirtschaft mit Umweltverschmutzung und Ressourcenabbau darstellt.

Meiner Ansicht nach ist die Dringlichkeit dieses Systemwechsels unbestreitbar, und die Circular Economy bietet den umfassendsten Rahmen, um ökologische und ökonomische Ziele in Einklang zu bringen.

Rechtlicher Rahmen und strategische Weichenstellungen Fundamente der deutschen Kreislaufwirtschaft

Deutschlands Weg in die Kreislaufwirtschaft ist von einer stetigen Weiterentwicklung rechtlicher und strategischer Rahmenbedingungen geprägt. Den Grundstein legte bereits 1972 das Abfallgesetz (AbfG), das primär auf eine sichere Abfallbeseitigung abzielte. Ein Paradigmenwechsel erfolgte 1996 mit dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz (KrW-/AbfG), das erstmals die Bedeutung geschlossener Stoffkreisläufe und der Ressourcenschonung hervorhob. Die aktuell zentrale Rechtsgrundlage bildet das Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) von 2012, das zuletzt 2020 umfassend novelliert wurde, um EU-Richtlinien wie die Abfallrahmenrichtlinie umzusetzen. Kernstück des KrWG ist die fünfstufige Abfallhierarchie: Vermeidung vor Wiederverwendung, Recycling, sonstiger Verwertung (z.B. energetische Verwertung) und schließlich Beseitigung. Diese Hierarchie soll sicherstellen, dass stets der ökologisch vorteilhafteste Weg priorisiert wird, wobei auch ökonomische und soziale Aspekte Berücksichtigung finden sollen. Ergänzt wird dies durch das Prinzip der Produktverantwortung, das Hersteller und Vertreiber bestimmter Produkte zur Rücknahme und Verwertung am Ende der Nutzungsdauer verpflichtet.

Spezifische Regelungen existieren für wichtige Abfallströme. Das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG) regelt die Entsorgung und das Recycling von Elektroaltgeräten und setzt die europäische WEEE-Richtlinie um. Die Verpackungsverordnung (VerpackV), später überführt in das Verpackungsgesetz (VerpackG), etablierte bereits 1991 duale Systeme für die haushaltsnahe Sammlung von Verpackungsabfällen. Diese rechtlichen Instrumente haben zweifellos zu hohen Sammel- und Verwertungsquoten in bestimmten Bereichen beigetragen. Dennoch sehe ich kritisch, dass der Fokus des KrWG, wie von Experten in Studien wie der von MDPI (Roadmap to a Circular Economy by 2030) angemerkt, oft noch stark auf der Abfallbewirtschaftung liegt, anstatt eine wirklich umfassende Transformation hin zu einer Kreislaufwirtschaft zu fördern, die Abfallentstehung von vornherein vermeidet und Materialqualitäten erhält.

Kreislaufdiagramm 'Economia Circular', das die Zyklen von Materialien von Rohstoff bis Recycling zeigt.

Das Kreislaufmodell, hier dargestellt als ‚Economia Circular‘, illustriert die verschiedenen Phasen von Rohstoffgewinnung über Design, Produktion und Nutzung bis hin zu Sammlung und Recycling, die einen geschlossenen Materialkreislauf bilden.

Flankiert werden diese Gesetze durch eine Reihe von Strategien und Programmen. Das Deutsche Ressourceneffizienzprogramm (ProgRess), mittlerweile in seiner dritten Auflage (ProgRess III), zielt darauf ab, die Rohstoffproduktivität zu steigern und den Ressourcenverbrauch vom Wirtschaftswachstum zu entkoppeln. Die Einführung in die Ressourceneffizienz auf ressource-deutschland.de verdeutlicht die ökonomischen Vorteile, insbesondere für das verarbeitende Gewerbe, wo Materialkosten einen erheblichen Anteil ausmachen. Die Bundesregierung hat zudem mit der im Juni 2024 beschlossenen Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie (NKWS) einen weiteren wichtigen Schritt unternommen, um den Wert von Rohstoffen und Produkten so lange wie möglich zu erhalten. Trotz dieser Bemühungen und der hohen politischen Aufmerksamkeit, die Ressourceneffizienz und Kreislaufwirtschaft genießen, mahnen wissenschaftliche Studien, wie vom Umweltbundesamt dargelegt, ambitioniertere Politikansätze und absolute Ziele zur Ressourcenschonung an, um die globalen Nachhaltigkeitsziele wirklich zu erreichen.

Akteure Initiativen und die komplexe Suche nach zirkulären Geschäftsmodellen

Die Transformation zur Kreislaufwirtschaft ist keine Aufgabe, die der Staat allein bewältigen kann. Sie erfordert das Zusammenspiel zahlreicher Akteure aus Wissenschaft, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Forschungseinrichtungen wie das Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) oder die Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) spielen eine entscheidende Rolle, indem sie technologische Grundlagen erforschen, neue Geschäftsmodelle analysieren und politische Entscheidungsträger beraten. Das Fraunhofer ISI beispielsweise untersucht im Projekt »Modell Deutschland Circular Economy« ein umfassendes Bild für zirkuläres Wirtschaften und hat Projekte wie Wear2Share initiiert, das Leihmodelle für Bekleidung auf Nachhaltigkeit prüft. Die BAM wiederum forscht an Materialdesign, Recyclingverfahren und entwickelt Referenzmaterialien zur Qualitätssicherung von Sekundärrohstoffen.

Auf lokaler Ebene zeigen Projekte wie „Klima und Ressourceneffizienz in Gewerbe- und Industriegebieten“ (KREGI), wissenschaftlich begleitet vom Wuppertal Institut, wie praxisnahe Maßnahmenkataloge für Kommunen entwickelt werden können. Eine zentrale Rolle spielen auch breit angelegte Initiativen. Die Circular Economy Initiative Deutschland (CEID), 2019 mit Unterstützung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gegründet, hat eine vielbeachtete „Circular Economy Roadmap for Germany“ vorgelegt. Diese Roadmap, an der über 130 Experten aus Wissenschaft, Industrie und Zivilgesellschaft mitwirkten, definiert eine Vision für 2030 und schlägt konkrete Handlungsempfehlungen vor. Sie betont die Bedeutung von zirkulären Geschäftsmodellen und digitalen Technologien als Innovationstreiber. Allerdings gibt es auch alternative Ansätze und kritische Perspektiven, wie die Analyse zweier deutscher Roadmap-Projekte in einer MDPI-Studie (Expert and Diffuse Design) zeigt. Dort wird die eher technisch-ökonomisch ausgerichtete CEI-Roadmap einer stärker sozial und partizipativ orientierten „Circular Society Roadmap“ der Hans Sauer Stiftung gegenübergestellt. Dieser Diskurs verdeutlicht, dass der Weg zur Kreislaufwirtschaft nicht nur technologische, sondern auch tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen erfordert. Ich halte diese Debatte für essenziell, denn eine rein technokratische Herangehensweise greift zu kurz.

Realitäten und Reibungspunkte Deutschlands Kreislaufwirtschaft auf dem Prüfstand

Trotz der vielfältigen Bemühungen und gesetzlichen Grundlagen steht Deutschland bei der Umsetzung einer umfassenden Kreislaufwirtschaft vor erheblichen Herausforderungen. Zwar kann das Land beachtliche Erfolge bei den Recyclingquoten für Siedlungsabfälle vorweisen – mit 69,8 % im Jahr 2021 lag Deutschland hier im EU-Vergleich an der Spitze. Doch diese Zahl allein zeichnet ein unvollständiges Bild. Ein kritischerer Indikator ist die „Circular Material Use Rate“, also der Anteil von recyceltem Material am gesamten Materialverbrauch. Hier lag Deutschland 2021 mit rund 12 % deutlich unter dem EU-Durchschnitt und weit hinter Vorreitern wie den Niederlanden (33,8 %). Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass ein Großteil der gesammelten Abfälle zwar dem Recycling zugeführt, aber nicht zwangsläufig in hochwertigen neuen Produkten wiederverwendet wird.

Ein zentrales Problem ist das sogenannte Downcycling, bei dem recycelte Materialien an Qualität und somit an Wert verlieren. Insbesondere bei Kunststoffen, die oft aus komplexen Materialverbünden bestehen und mit verschiedenen Additiven versetzt sind, ist ein hochwertiges Recycling schwierig. Im Jahr 2021 basierten trotz hoher Sammelquoten nur etwa zwölf Prozent der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe auf bereits in Produkten verwendetem Material. Hier sehe ich dringenden Handlungsbedarf, der bereits beim Produktdesign ansetzen muss – Stichwort „Design for Circularity“. Produkte müssen von vornherein so gestaltet werden, dass sie langlebig, reparaturfähig und leicht recycelbar sind. Die Einführung digitaler Produktpässe, die detaillierte Informationen über die Zusammensetzung von Produkten enthalten, könnte hier einen wichtigen Beitrag leisten.

Besonders große Herausforderungen bestehen im Bausektor. Wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) aufzeigt, ist dieser Sektor für rund 90 Prozent des Verbrauchs mineralischer Rohstoffe und über die Hälfte des gesamten Abfallaufkommens in Deutschland verantwortlich. Jährlich fallen rund 229 Millionen Tonnen Bauabfälle an, von denen nur ein geringer Teil hochwertig aufbereitet und wiederverwendet wird. Der Anteil von Recyclingmaterialien im Bauwesen liegt bei lediglich 13 %. Veraltete Bauordnungen, komplizierte Normen und fehlende ökonomische Anreize für den Einsatz von Sekundärbaustoffen behindern hier den Fortschritt. Meiner Meinung nach ist eine grundlegende Transformation im Bausektor unerlässlich, um die Ziele der Kreislaufwirtschaft und des Klimaschutzes zu erreichen. Dies erfordert verbindliche Vorgaben für den Einsatz von Recyclingmaterialien, Grenzwerte für den Ressourcenverbrauch von Gebäuden und eine stärkere Rolle der öffentlichen Hand als Vorreiter bei nachhaltigen Bauvorhaben.

Vom Abfall zum Wertstoff Deutschlands Kurskorrektur für eine resiliente Zukunft

Der Weg Deutschlands zu einer umfassenden Kreislaufwirtschaft ist, wie dargelegt, komplex und erfordert mehr als nur die Optimierung bestehender Abfallmanagementsysteme. Es bedarf einer fundamentalen Kurskorrektur, die alle Bereiche von Produktion und Konsum erfasst. Die Vision muss sein, Abfall nicht als Endpunkt, sondern als wertvollen Rohstoff für neue Produkte zu betrachten und Stoffkreisläufe so intelligent und effizient wie möglich zu schließen. Das Projekt „Model Germany Circular Economy“, das vom WWF Deutschland in Zusammenarbeit mit dem Öko-Institut und weiteren Partnern durchgeführt wird, zielt darauf ab, einen politischen Fahrplan mit konkreten Handlungsempfehlungen zu erarbeiten. Solche evidenzbasierten Ansätze sind entscheidend, um die Wirksamkeit verschiedener Instrumente zu bewerten und die richtigen politischen Hebel zu identifizieren.

Ich bin davon überzeugt, dass Innovationen hierbei eine Schlüsselrolle spielen werden – nicht nur technologische, sondern auch soziale und geschäftsmodellbezogene. Die Digitalisierung, beispielsweise durch digitale Produktpässe oder Plattformen für Materialaustausch, kann Transparenz schaffen und neue Kooperationsformen ermöglichen. Es braucht mutige Unternehmer, die zirkuläre Geschäftsmodelle entwickeln, die auf Langlebigkeit, Reparatur, Wiederverwendung und Sharing setzen. Innovative Logistiklösungen sind ebenfalls gefragt, um beispielsweise die Rückführung von Produkten für Reparatur oder Wiederaufbereitung effizient zu gestalten. Dies gilt insbesondere, wenn Unternehmen professionelle Unterstützung für das Sperrgut Versenden benötigen, um Retourenprozesse oder die Distribution von aufbereiteten Gütern im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu optimieren und so einen wertvollen Beitrag zur Ressourcenschonung zu leisten. Gleichzeitig sind klare politische Rahmenbedingungen und ökonomische Anreize unerlässlich. Dazu gehören beispielsweise verbindliche Mindestquoten für den Einsatz von Rezyklaten, eine Bepreisung des Primärrohstoffverbrauchs, die Förderung von Ökodesign und eine konsequente Ausrichtung der öffentlichen Beschaffung an Nachhaltigkeitskriterien.

Letztlich erfordert die Transformation zur Kreislaufwirtschaft aber auch einen kulturellen Wandel. Ein bewussterer Konsum, eine größere Wertschätzung für Produkte und Materialien sowie die Bereitschaft, tradierte Verhaltensmuster zu hinterfragen, sind ebenso wichtig wie technologische Lösungen und politische Vorgaben. Die Circular Economy ist kein rein technisches Konzept, sondern ein gesamtgesellschaftliches Projekt. Deutschland hat das Potenzial, hier eine Vorreiterrolle einzunehmen und zu zeigen, wie Wohlstand und Lebensqualität im Einklang mit den planetaren Grenzen gesichert werden können. Der Weg ist anspruchsvoll, aber die Chancen, die eine konsequent umgesetzte Kreislaufwirtschaft für Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft bietet, sind immens. Es ist an der Zeit, die Weichen entschlossen in Richtung einer zirkulären Zukunft zu stellen – eine Zukunft, in der wir Ressourcen als das behandeln, was sie sind: endlich und wertvoll.